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Implantologie

Dentalimporte (Artikel von Andreas Hellstern)

Eine Frage des Vertrauens

Gesundheit ist sicher eines unserer höchsten Güter, doch – wie so oft – lernen wir sie erst dann schätzen, wenn sie uns fehlt. Erst wenn die fein abgestimmten Verhältnisse des Körpers gestört sind, wird man sich seiner Verwundbarkeit bewusst und begreift, wie sehr Gemüt und Selbstwert auf den empfindlichen Grundlagen unserer Gesundheit beruhen.

Darum ist auch das Verhältnis zu einem uns behandelnden Arzt von besonderer Natur. Nicht umsonst reden wir vom Arzt unseres Vertrauens, denn er hat auch eine moralische Verantwortung. Wir geben nicht ohne Weiteres unser körperliches Wohlergehen in fremde Hände. Das gilt umso mehr für die zahnmedizinische Behandlung, die uns ja ein Leben lang begleitet.

Diese Verantwortung übernimmt natürlich auch die Zahntechnik. Dort, wo die Behandlung Zahnersatz erfordert, führt der Techniker die Arbeit des Arztes fort. Entsprechend überträgt sich auch das ursprüngliche Vertrauensverhältnis: vom Patienten zum Arzt auf den Patienten und seinen Zahntechniker. Nur wenn Arzt und Techniker im Sinne des Patienten gut zusammenarbeiten, lässt sich die Mundgesundheit und damit das Lächeln des Patienten wieder herstellen.

Der Gesundheitsmarkt

Ein hochmodernes Gesundheitssystem wie das unsrige ist, wie allgemein bekannt, äußerst kostenintensiv. Durch entsprechende Gesundheitsreformen wurde darum von der Politik eine Liberalisierung angestrebt, die aus einer ursprünglich umfassenden Gesundheitsversorgung zusehends einen umtriebigen Gesundheitsmarkt hat werden lassen. Präparate, Prothesen und Behandlungen sind nun über das Internet oder im Ausland sehr viel günstiger zu erhalten.

Beim Thema Zahnersatz sind es vor allem Billiglohnländer Asiens wie China oder Malaysia, die heimischen Laboren mit konkurrenzlosen Preisen die Arbeit schwer bis unmöglich machen. Die globalisierte Weltwirtschaft erlaubt es Handelsunternehmern, aus dem großen Lohngefälle zwischen Asien und Europa Kapital zu schlagen. Logistik und Arbeitsteilung gestatten ein Preisniveau, dass in Asien die Herstellung von Zahnersatz teilweise sogar unter dem Festzuschuss der Krankenkassen möglich macht. Da Patienten in Fragen ihrer Gesundheit mittlerweile auch finanzielle Entscheidung zu treffen haben, finden vor allem Dentalimporte aus China in Deutschland entsprechenden Absatz. Den Mehrwert schöpfen dann Beteiligungsgesellschaften oder Großhandelsunternehmen ab.

Importrisiken

Für Zahnärzte und Techniker stellt sich darum häufiger die Frage, wer eigentlich vor ihnen sitzt: Ein Kunde oder ihr Patient? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, denn das bestehende Gesundheitssystem sieht im Patienten immer auch den Kunden und umgekehrt.

Aber gibt es denn auch medizinische Erwägungen, die nicht ohne Weiteres für Dentalimporte sprechen?

Bislang fehlen aussagekräftige Langzeitstudien zur Qualität von Dentalimporten, aber mit Sicherheit besitzt Deutschland höhere Standards in Fragen der Ausbildung und bei Zusatzqualifikationen. Auch die Lieferzeiten sind, wegen derselben Logistik, kaum ein Kriterium. Allerdings ist das heimische Handwerk nicht von den Unwägbarkeiten des Flugverkehrs abhängig. Was schließlich die verwendeten Materialien betrifft, muss man sich eben auf die Prüfsiegel verlassen.

Da Zahnersatz aber vor allem eine medizinisch-ästhetische Herausforderung ist, gibt es Belange, die nur durch heimische Labore sichergestellt werden können, denn die räumliche Nähe ist hierbei der Standortvorteil schlechthin.

Service und Ästhetik

Vorbehandlung, Einbringung und Nachsorge sind jede für sich Etappen, die eine enge Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Dentallabor erfordern. Dabei sind Vorteile wie langjährige Kooperation, gute Kommunikation, Nähe zum Patienten und der persönlicher Kontakt eben nicht durch Geld aufzuwiegen. Erst durch diese Nähe kann sich zwischen Patient, Zahnarzt und Techniker ein Vertrauensverhältnis bilden, das die Grundlage für einen umfassenden Heilprozess bildet.

Zahn, Modell und Patient sind nicht nur Rechnungsnummern. Erst durch die Nähe zum Zahntechniker bieten sich Möglichkeiten, die ästhetisch höchst relevant sind, denn schöne Zähne gehorchen einer ganzheitlichen Philosophie, die den Menschen, sein Gesicht und sein Lächeln zu erfassen versteht. Dafür braucht es mehr als nur einen Gipsabdruck. Ein guter Zahntechniker ist auch Kunsthandwerker. Er erkennt physiognomische Zusammenhänge, begleitet die Behandlung, übernimmt selbst die Farbnahme und richtet sich im persönlichen Gespräch auch nach den individuellen Wünschen seines Patienten, gerade wenn jene diesem noch nicht ganz bewusst sind. Als Handwerker im ästhetischen Bereich ist er darum immer auch Berater.

Entfremdete Arbeit oder ganzheitliche Sicht

Im Unterschied zu den Fertigungsprozessen im Fernen Osten, die in einzelne Arbeitsschritte zerlegt und von angelernten Arbeitern besorgt werden, ohne dass diese einen Überblick über das große Ganze erhalten, betreuen heimische Zahntechniker in der Regel die gesamte Arbeit. Sie sind Allrounder, die jede Stufe der Herstellung beherrschen müssen. Obendrein verfügen sie oft über Spezialgebiete. Diese Vielseitigkeit erlaubt es ihnen schon während des Zahnaufbaus medizinisch-ästhetische Entscheidungen zu treffen, die den weiteren Verlauf der Arbeit nachhaltig bestimmen. Im Falle von fachübergreifenden Fragen ist ihr Ansprechpartner, Zahnarzt oder Patient, jederzeit erreichbar. Eventuell auftretende Probleme können persönlich gelöst werden, bevor sie überhaupt entstehen.

Eine Frage der Verantwortung

Nicht zuletzt ist die Frage, woher wir unseren Zahnersatz beziehen auch eine globale Herausforderung geworden. Neben den Vorteilen persönlicher Betreuung auf der Grundlage von Nähe und gegenseitigem Vertrauen, bieten einheimische Zahn-techniker auch Leistungen, die nicht beziffert werden, aber darum umso wichtiger sind.

Die kurzen Lieferwege und die fachgerechte Entsorgung von Giftstoffen, die bei Laborarbeiten normalerweise anfallen, entlasten die Umwelt. Kein Flugbenzin wird gebraucht und Schadstoffe werden recycelt. Die Arbeitsbedingungen in Deutschland sind tariflichrechtlich geregelt; Krankschreibungen, Urlaub oder Elternzeit sind hierzulande Selbstverständlichkeiten. Zudem sind mittelständische Unternehmen, zu denen die meisten zahntechnischen Labore gezählt werden können, der größte Ausbildungsträger der Republik.

Schließlich ist die Frage, wem ich meine Gesundheit anvertraue, nicht allein eine ökonomische, sondern vor allem eine medizinische und letztendlich sogar eine moralische Frage: Mit der Wahl des Zahnersatzes wird auch über das eigene Wohlergehen entschieden und die Verantwortung für diese Entscheidung muss übernommen werden. Dabei sollte man nicht vergessen, dass Gesundheit kein verhandelbares Gut ist; sie kann weder kalkuliert, noch bilanziert werden. Sie ist ein Wert an sich und darum darf auch unsere Gesundheitsversorgung nicht zu einem Zahnersatzlieferservice verkommen.

ZTM Andreas Hellstern (Hellstern-Zahntechnik)